E-Government in Deutschland: Es gibt noch viel zu tun!
Bei der Implementierung von E-Government-Lösungen schneidet Deutschland im europäischen Vergleich leider nicht gut ab: Während Estland, das oft als das „Kronjuwel“ der europäischen Digitalisierung bezeichnet wird, vorwärts prescht, die skandinavischen Länder und Benelux-Staaten hinterher sprinten, hinkt Deutschland bei diesem Wettrennen eher hinterher.
In Deutschland selbst sind die verschiedenen Bundesländer bei der Einführung von E-Government-Lösungen und dabei insbesondere der E-Akte schon etwas weiter. Bund und Kommunen verhalten sich teilweise noch abwartend, was zumindest auf Bundesebene sicherlich auch damit zusammenhängt, dass man die Entwicklung und Implementierung einer zentralen Lösung abwarten möchte.
Eine zentrale Rolle bei der Digitalisierung spielt für den öffentlichen Sektor in Deutschland aktuell die Einführung und Nutzung der Akte. Dabei wird vor allem der Schritt, welcher der Implementierung der E-Akte eigentlich vorgelagert ist, das (rechtssichere) digitale Scannen und Aufbewahren der Dokumente, als besonders herausfordernd erlebt. Eher noch stiefmütterlich wird die elektronische Kommunikation und der elektronische Rechtsverkehr behandelt.
Es verfügt sicherlich niemand über eine Glaskugel, mit der man in die Zukunft blicken kann (und die tatsächlich funktionieren würde), aber es ist allen Beteiligten klar: Der Trend zur Digitalisierung ist unumkehrbar und die Digitalisierung wird in Zukunft an Bedeutung sogar noch hinzugewinnen. Klar ist auch, dass der Aspekt der Rechtssicherheit in den nächsten Jahren zunehmende Bedeutung erhalten wird, spätestens mit der verpflichtenden Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs.
Megatrends machen E-Government irreversibel
Der Trend zur Digitalisierung – für den privaten Sektor längst eine Selbstverständlichkeit – ist nun unbestreitbar in den öffentlichen Institutionen angekommen. Das verdeutlichen auch die verschiedenen E-Government-Gesetze der letzten Jahre.
An die Digitalisierung sind verschiedene Versprechen geknüpft: Einerseits das Versprechen einer größeren Effektivität (Wirksamkeit) und verbesserten Qualität der Leistungen der öffentlichen Institutionen, und zwar sowohl nach außen, als auch nach innen. Damit sind nach außen bspw. Leistungen rund um die Interaktion mit den Bürgern (hier wäre bspw. die De-Mail zu nennen) und nach innen Verbesserungen der Qualität der Arbeit der öffentlichen Verwaltung (hier wäre das Beispiel „Home Office“ erwähnenswert) gemeint.
Die zunehmende Digitalisierung hängt auch mit dem Versprechen einer größeren Effizienz der öffentlichen Verwaltung zusammen. Dahinter wiederum verbirgt sich der Effizienzdruck, der seit Jahren auf der öffentlichen Verwaltung in Europa lastet und auch – trotz positiver Entwicklungen im Bereich der Steuereinnahmen in Deutschland – für den öffentlichen Sektor hierzulande eine Rolle spielt. Durch E-Government-Lösungen können gewaltige Einsparpotenziale realisiert werden. Man denke bspw. nur an die Einsparpotenziale im Portobereich durch die Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs. Gleichzeitig wird E-Justice aber auch für eine Verfahrensbeschleunigung bei Gerichten sorgen.
Die Entwicklung hängt außerdem mit einem anderen großen Trend in der öffentlichen Verwaltung zusammen, dem Generationswechsel, der sich bereits jetzt ankündigt und in den kommenden Jahren die öffentlichen Institutionen in Deutschland stark beschäftigen wird: Für die nachrückenden „Digital Natives“ (der Generationen Y und Z) gehören die Digitalisierung und ihre Vorteile einfach zum Leben mit dazu. Will der öffentliche Sektor als Arbeitgeber für junge Führungs- und Fachkräfte interessant bleiben (oder werden?), dann führt langfristig kein Weg daran vorbei, die Digitalisierung auf allen Ebenen gezielt voranzutreiben.
Kernprobleme des E-Governments in der Praxis
Was E-Government in der Praxis so schwierig macht und die Implementierung insgesamt verlangsamt, ist, dass es kein rein technisches, sondern auch ein rechtliches und insbesondere organisatorisches Thema ist: Bei der Einführung bspw. der E-Akte müssen eben nicht nur technische Herausforderungen gemeistert werden (die Technik selbst ist sogar zumeist nicht das Problem), sondern auch rechtliche und organisatorische. Dies erklärt auch, weshalb der Leiter der Organisationsabteilung bei der Implementierung von E-Government-Lösungen zumeist und auch zu Recht den „Hut aufhat“ und vom Leiter IT unterstützt wird. In der Praxis bedeutet dies also, dass die Verantwortlichen ein großes Wissen aus unterschiedlichen Bereichen (Technik, Recht, Organisation) mitbringen oder einbinden müssen, über die nur selten eine Person allein verfügt.
Damit ist auch klar, dass bei der Implementierung von E-Government-Lösungen zumeist verschiedene Abteilungen – IT, Justiziariat und Organisation – einer Institution zusammenwirken müssen. Aufgrund von anderen (oft rechtlichen) Entwicklungen müssen mitunter auch angrenzende Abteilungen mit ins Boot geholt werden, so bspw. der Datenschutz im Zuge der EU-Datenschutzgrundverordnung. Hier erweisen sich zuweilen ein mehr oder weniger ausgeprägtes „Silo-Denken“ oder widerstreitende Interessen als Problemfeld.
Insbesondere die zumindest „gefühlt“ mangelnde Rechtssicherheit von E-Government-Lösungen, womit bspw. die Beweiserhaltung von eingescannten und elektronisch versandten Dokumenten gemeint ist, und die bisweilen fehlende Unterstützung und Akzeptanz bei der Einführung und Nutzung von Digitalisierungsmaßnahmen seitens der Chefetagen, aber auch der Mitarbeitenden, werden von den Verantwortlichen als große Herausforderungen empfunden, weniger die Beschaffung, Auswahl und technische Implementierung der IT-Lösungen.
Eine weitere Herausforderung ist, dass es viele Institutionen bei der Einführung von E-Government-Lösung auf sich allein gestellt sind (oder dies zumindest glauben). Es findet relative wenig Austausch von Best Practices vor allem zwischen Bund, Land und Kommune statt. Ein Blick ins europäische Ausland wird kaum riskiert.
Lösungsansätze für Bund, Länder und Kommunen und andere öffentliche Institutionen
Praktiker von Bund, Land und Kommune, die die Implementierung von E-Government-Lösungen operativ begleiten, nennen oft folgende Lösungsansätze, um die Digitalisierung in Deutschland und insbesondere die Einführung der E-Akte voranzutreiben:
- Es muss ein geschicktes „Schnittstellenmanagement“ zwischen den Abteilungen Recht, IT und Organisation(s- und Personalentwicklung) etabliert werden. Dies ist nur durch die Ausbildung und den intelligenten Einsatz von „Soft Skills“ möglich, mit denen Silodenken und etwaige Widerstände überwunden werden können.
- Momentan muss man sich vom Anspruch einer „One-Stop-Shop“-Lösung im rechtlichen Bereich lösen: Eine perfekte Lösung, die absolute Rechtssicherheit vor allem beim rechtssicheren Scannen und Aufbewahren verspricht, gibt es (momentan noch) nicht. Hier kann also nur der Austausch von Best Practices helfen, um die Situation und die Risiken zumindest einschätzen und sich bestmöglich rechtlich absichern zu können.
- Durch den Einsatz von „Soft Skills“, aber auch von Werkzeugen wie Projekt- und insbesondere Changemanagement, kann auch die Führungsebene für die Implementierung von E-Government-Lösungen gewonnen und ihre Rückendeckung gesichert werden.
- Ähnliches gilt für die Mitarbeiter: Gut gestaltete Schulungen und ein intelligentes Akzeptanzmanagement erlauben es, auch die Mitarbeiterschaft geschickt „mitzunehmen“, damit Werkzeuge wie die E-Akte tatsächlich auch in der Behörde „gelebt“ werden.
- Nicht nur zwischen den verschiedenen Abteilungen muss ein geschicktes „Schnittstellenmanagement“ betrieben werden: Auch ein Austausch zwischen Bund, Land und Kommune muss verstärkt werden: Insbesondere der Bund kann von Erfahrungen, die auf Landesebene bereits gemacht wurden, profitieren.
Nicht zuletzt ist ein Blick in den privaten Sektor empfehlenswert: Was hat hier bisher gut funktioniert? Was lässt sich aus dem privaten Sektor in den öffentlichen gut übertragen? Es kann aber auch wichtig sein, aus den Misserfolgen der Privatwirtschaft zu lernen. Nicht jedes Versprechen der Digitalisierung wird gehalten und nicht jedes „digitale Tool“ ist tatsächlich wirksam, was das nachfolgende Beispiel verdeutlichen soll: Während die öffentliche Verwaltung verstärkt darüber nachdenkt, Homeoffice einzusetzen, ist der Trend im privaten Sektor zunehmend gegenläufig, und zwar mitunter auch auf Wunsch der Arbeitnehmer selbst: Viele Arbeitnehmer merken hier, dass „räumliche Trennung den Vorteil mit sich bringt, die Arbeit auch mental zu beenden“ – etwas, dass sich bei Home Office nicht leicht realisieren lässt: Hier gibt es den Burnout aufgrund einer nicht enden wollenden Dauerbelastung dann eben nicht im Büro, sondern zuhause auf der Couch.
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Anm.d.R: Im April 2018 findet die nächste Veranstaltung zu rechtlichen und technischen Herausforderungen der Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung statt. Mehr Informationen zum Seminarprogramm und zur Anmeldung finden Sie auf der Website der Europäischen Akademie für Steuern, Wirtschaft & Recht.

Dr. Nikolaus Siemaszko leitet bei der Europäischen Akademie für Steuern, Wirtschaft und Recht ein Team von Conference Managern, das für die Konzeption und Organisation von Lehrangeboten für die öffentliche Hand verantwortlich ist.
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