Ordnungsgemäße elektronische Aktenführung und Revisionssicherheit (1): Rechtliche Grundlagen

Gesetzliche Pflicht der öffentlichen Verwaltung ist es, das Verwaltungshandeln zu dokumentieren. Das Instrument, mit dem diese Dokumentationspflicht gewährleistet wird, ist die Akte. Die Pflicht der Behörde zur objektiven Dokumentation des bisherigen wesentlichen sachbezogenen Geschehensablaufs folgt aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG), da nur eine geordnete Aktenführung einen rechtsstaatlichen Verwaltungsvollzug mit der Möglichkeit einer Rechtskontrolle durch Gerichte und Aufsichtsbehörden ermöglicht (Begründung zu § 6 EGovG). Die Akte bildet darüber hinaus auch die Grundlage für die Gewährleistung der Ansprüche nach dem Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes (Informationsfreiheitsgesetz – IFG).

Ordnungsgemäße elektronische Aktenführung (1)

1. Rechtliche Grundlagen der elektronischen Aktenführung

Die Art und Weise der Aktenführung steht weitestgehend im Organisationsermessen der Behörden. Dabei hat die Behörde hat durch geeignete technisch-organisatorische Maßnahmen nach dem – jeweils geltenden – Stand der Technik sicherzustellen, dass die Grundsätze der ordnungs­gemäßen Aktenführung eingehalten werden. Die Behörde kann hierzu konkretisierende organisatorische Regelungen treffen oder vorhandene technische Richtlinien nutzen (Begründung zur § 6 EGovG).

1.1 EGovG

Wird eine Akte elektronisch geführt, ist durch geeignete technisch-organisatorische Maßnahmen nach dem Stand der Technik sicherzustellen, dass die Grundsätze ordnungsgemäßer Aktenführung eingehalten werden (§ 6 Satz 3 EGovG). Diese Grundsätze werden in der Begründung zu § 6 EGovG wie folgt beschrieben:

„Hieraus ergibt sich die Verpflichtung der öffentlichen Verwaltung, Akten zu führen (Gebot der Aktenmäßigkeit), alle wesentlichen Verfahrenshandlungen vollständig und nachvollziehbar abzubilden (Gebot der Vollständigkeit und Nachvollziehbarkeit) und diese wahrheitsgemäß aktenkundig zu machen (Gebot wahrheitsgetreuer Aktenführung). Umgekehrt folgt aus dieser Pflicht das grundsätzliche Verbot der nachträglichen Entfernung und Verfälschung von rechtmäßig erlangten Erkenntnissen und Unterlagen aus den Akten (Sicherung von Authentizität und Integrität) sowie das Gebot, den Aktenbestand langfristig zu sichern.“

1.2 Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO)

Die Konkretisierung dieser Grundsätze für die Bundesministerien erfolgt mit den Regelungen der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) und der Registraturrichtlinie (RegR). Danach folgt die Geschäftstätigkeit der Verwaltung dem Grundsatz der Schriftlichkeit. Sie besteht im Erstellen, Versenden, Empfangen und Registrieren von Dokumenten (Aktenbildung) und wird durch die Aktenführung unterstützt. Die Aktenführung sichert ein nachvollziehbares transparentes Verwaltungshandeln und ist Voraussetzung für eine sachgerechte Archivierung. Einzelheiten der IT-gestützten Verwaltung von elektronischen Dokumenten und Akten regelt, soweit nichts anderes bestimmt ist, die Registraturrichtlinie – RegR (§ 12 Abs. 2  GGO i.V.m. § 1 Abs. 2 u. 3 RegR). Für die Aktenführung gilt der Grundsatz der Vollständigkeit und Einheitlichkeit (§ 4 RegR). Danach sind zu gewährleisten bzw. durch geeignete organisatorische Maßnahmen zu sichern:

  • Die Vollständigkeit und Nachvollziehbarkeit des Sach- und Bearbeitungszu­sammen­hangs,
  • die Aufbewahrung der Dokumente entsprechend ihrem Bearbeitungswert sowie
  • die Einheitlichkeit des Bearbeitens der Geschäftsvorfälle und des Verwaltens von Schriftgut.

Schriftgut im Sinne der RegR sind alle bei der Erfüllung von Aufgaben des Bundes erstellten oder empfangenen Dokumente, unabhängig von der Art des Informationsträgers und der Form der Aufzeichnung. Hierzu gehören auch alle ergänzenden Angaben (z. B. Metainformationen), die zum Verständnis der Informationen notwendig sind (§ 3 RegR). Jedem aktenrelevanten Dokument ist ein Geschäftszeichen zuzuordnen, das dem sach- und bearbeitungsgerechten Einordnen dient und den jederzeitigen Rückgriff ermöglicht. Dokumente ohne Informationswert sind zu vernichten (§ 10 RegR).

Abschließend bearbeitetes Schriftgut ist bis zur Aussonderung vollständig im Aktenbestand aufzubewahren, vor einem unbefugten Zugriff zu sichern und vor Beschädigung und Verfall zu schützen. Bei elektronisch gespeichertem Schriftgut sind die Vollständigkeit, Integrität, Authentizität und Lesbarkeit durch geeignete Maßnahmen zu gewährleisten (§ 18 RegR). Abgeschlossen wird die Bearbeitung gemäß Anlage 1 zu § 9 RegR durch die Verfügung z.d.A (zu den Akten).

2. Rechtliche Grundlagen der elektronischen Vorgangsbearbeitung

Die Dokumentationspflicht des Verwaltungshandels ist als fortlaufende (begleitende) Dokumentation ausgestaltet. Sie muss zu jedem Zeitpunkt der Bearbeitung den bisherigen wesentlichen sachbezogenen Geschehensablauf wiedergeben. Wie bei der papiergebundenen Verwaltung, ist auch bei der elektronischen Verwaltungsarbeit die elektronische Aktenführung die Basis für die (elektronische) Vorgangsbearbeitung.

2.1 Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO)

Stand und Entwicklung der Vorgangsbearbeitung müssen jederzeit (im Rahmen der Aufbewahrungsfristen) aus den elektronisch oder in Papierform geführten Akten nachvollziehbar sein (§ 12 Abs. 2  GGO). Das Bearbeiten von Geschäftsvorfällen im Rahmen einer ITgestützten Vorgangsbearbeitung regelt die RegR (§ 12 Abs. 2  GGO i.V.m § 1 Abs. 1 und 2 RegR). Der Geschäftsvorfall ist die kleinste Bearbeitungseinheit im Rahmen der Aufgabenwahrnehmung. Aus der Bearbeitung des Geschäftsvorfalls entsteht der Vorgang (§ 3 RegR).

Die Bearbeitung eines Geschäftsvorfalls wird durch förmliche und abschließend gezeichnete Verfügungen eingeleitet, fortgeführt oder abgeschlossen. Die Urheberschaft der Bearbeiterin oder des Bearbeiters muss sich aus der Akte eindeutig ergeben (§ 9 Abs. 1 und 2 RegR).

Bei elektronischer Vorgangsbearbeitung ist sicherzustellen, dass die Dokumente, der Laufweg und die Aufzeichnungen aus der Bearbeitung (z. B. Geschäftsgangvermerke, Verfügungen, Akten­vermerke, Zeichnungen, Mitzeichnungen, Kenntnisnahmen und) in Protokoll- und Bearbeitungs­informationen nachgewiesen und der elektronischen Akte zugeordnet werden (§ 6 Abs. 4 RegR).

3. Rechtliche Grundlagen der Archivierung

3.1 Gesetz über die Sicherung und Nutzung von Archivgut des Bundes (Bundesarchivgesetz – BArchG)

Die öffentlichen Stellen des Bundes haben alle Unterlagen (Akten, Schriftstücke, Karten, Pläne sowie Träger von Daten-, Bild-, Film-, Ton- und sonstigen Aufzeichnungen), die sie zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben einschließlich der Wahrung der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder nicht mehr benötigen, dem Bundesarchiv zur Übernahme anzubieten (§ 5 Abs. 1 BArchG), soweit sie nicht von der Anbietungspflicht ausgenommen sind (z.B. Unterlagen, deren Offenbarung gegen das Brief-, Post- oder Fernmeldegeheimnis verstoßen würde (§ 6 Abs. 2 BArchG)).

Werden elektronische Unterlagen zur Übernahme angeboten, legt das Bundesarchiv den Zeitpunkt der Übermittlung vorab im Einvernehmen mit der anbietenden öffentlichen Stelle des Bundes fest. Die Form der Übermittlung und das Datenformat richten sich nach den für die Bundesverwaltung verbindlich festgelegten Standards. Stellt das Bundesarchiv den bleibenden Wert der elektronischen Unterlagen fest, hat die anbietende öffentliche Stelle des Bundes nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist die bei ihr verbliebenen Kopien dieser Unterlagen nach dem Stand der Technik zu löschen; über die Löschung ist ein Nachweis zu fertigen (§ 5 Abs. 3 BArchG).

3.2 Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO)

Elektronisch gespeichertes Schriftgut ist dem Bundesarchiv nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist anzubieten und vollständig zu übergeben. Über die Form der Abgabe entscheidet das Bundesarchiv im Benehmen mit der abgebenden Stelle. Zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Aussonderung ist bei Einführung von Systemen zur elektronischen Schriftgutverwaltung und Vorgangsbearbeitung in Abstimmung mit dem Bundesarchiv eine Schnittstelle vorzusehen (§ 12 Abs. 2  GGO i.V.m § 21 Abs. 1 und 3 RegR).

4. Akteneinsicht und Informationsfreiheitsgesetz

Alle rechtlich normierten Ansprüche auf Einsichtnahme in das dokumentierte Verwaltungshandeln zielen letztlich auf Akteneinsicht.

4.1 Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes (Informations­freiheitsgesetz – IFG)

Das IFG schafft einen voraussetzungslosen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen bei Behörden des Bundes. Der Anspruch richtet sich auf Auskunft oder Akteneinsicht in der Behörde. Jeder ist anspruchsberechtigt (Jedermannrecht); eine eigene Betroffenheit – rechtlich oder tatsächlich – wird nicht verlangt. Amtliche Informatinen Im Sinne des IFG ist jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil einer Akte werden sollen, gehören nicht dazu (§ 2 IFG i.V.m § 3 RegR).

4.2 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG)

Den Beteiligten ist Einsicht in die das Verfahren betreffenden Akten zu gestatten, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist
(§ 29 VwVfG).

4.3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)

Behörden sind zur Vorlage von Urkunden oder Akten, zur Übermittlung elektronischer Dokumente und zu Auskünften verpflichtet. Wenn das Bekanntwerden des Inhalts dieser Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente oder dieser Auskünfte dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen, kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde die Vorlage von Urkunden oder Akten, die Übermittlung der elektronischen Dokumente und die Erteilung der Auskünfte verweigern (§ 99 VwGO).

4.4 EGovG

Soweit ein Recht auf Akteneinsicht besteht, können die Behörden des Bundes, die Akten elektronisch führen, Akteneinsicht dadurch gewähren, dass sie:

  1. einen Aktenausdruck zur Verfügung stellen,
  2. die elektronischen Dokumente auf einem Bildschirm wiedergeben,
  3. elektronische Dokumente übermitteln oder
  4. den elektronischen Zugriff auf den Inhalt der Akten gestatten.

5. Sonstige Rechtsvorschriften mit Bezug zur elektronischen Aktenführung

5.1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG)

Eine durch Rechtsvorschrift angeordnete Schriftform kann, soweit nicht durch Rechtsvorschrift etwas anderes bestimmt ist, durch die elektronische Form ersetzt werden. Der elektronischen Form genügt ein elektronisches Dokument, das mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen ist (§ 3a VwVfG).

Die Behörde bedient sich der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält. Sie kann insbesondere Beteiligte anhören, Zeugen und Sachverständige vernehmen oder die schriftliche oder elektronische Äußerung von Beteiligten, Sachverständigen und Zeugen einholen sowie Urkunden und Akten beiziehen (§ 26 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 2 und 3 VwVfG).

Ein mündlich erlassener Verwaltungsakt ist in elektronischer Form zu erlassen bzw. schriftlich zu bestätigen, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und der Betroffene dies unverzüglich verlangt (§ 37 VwVfG).

5.2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

Bei privatrechtlichen Geschäften der Verwaltung, insbesondere bei fiskalischem Handeln (z.B. Abschluss von Verträgen), ergeben sich Anforderungen an die Formerfordernisse u.a. aus §§ 126, 126a und 126b BGB.

 

Im zweiten Teil des Beitrages erfahren Sie schon bald mehr zum Thema Anforderungen an eine ordnungsgemäße elektronische Aktenführung.

 

Anm. d. R.: Wilhelm Thelen ist Experte für Digitalisierung der Verwaltungsarbeit. Am 26. April 2018 wird er beim Seminar „Rechtliche und technische Herausforderungen der Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung“ zum Thema „Handlungsmöglichkeiten für Personalräte aus der Praxis des Bundesministeriums für Gesundheit“ referieren. Mehr Informationen zum Seminarprogramm und zur Anmeldung finden Sie auf der Website der Europäischen Akademie für Steuern, Wirtschaft & Recht.

 

Thema E-Government: Weiterbildungsangebot

Lernen Sie, wie die Digitalisierung in den öffentlichen Institutionen und Unternehmen in der Praxis erfolgreich durchgeführt werden kann.

 

Wilhelm Thelen ist Referent in der Gruppe PI (Presse, Internet und Soziale Medien) und Projektleiter E-Verwaltungsarbeit im Bundesministerium für Gesundheit.
Zum Autorenprofil