Offene elektronische Aktenführung (Video-Interview)

Offene elektronische Aktenführung

Wilhelm Thelen ist Referent in der Gruppe Presse, Internet und Soziale Medien und Projektleiter E-Verwaltungsarbeit im Bundesministerium für Gesundheit. Er erklärt kurz gegenüber Zentralblick, was die elektronische Aktenführung charakterisiert und welche Vorteile die offene elektronische Aktenführung hat.

Was sind die Anforderungen an eine ordnungsgemäße elektronische Aktenführung?

Die Frage enthält schon den wichtigen Teil der Antwort: Wir reden von der ordnungsgemäßen Aktenführung. Wir reden von der elektronischen Aktenführung.

Die ordnungsgemäße Aktenführung ist das, was tradiert ist. Wir brauchen die ordnungsgemäße Aktenführung schon nach den Vorgaben des Grundgesetztes. Das Grundgesetz schreibt die Rechtsmäßigkeit der Verwaltung vor: Rechtsstaatlichkeit – Artikel 20 Grundgesetz. Damit die Gerichte und auch Prüfinstitutionen das Handeln der Verwaltung kontrollieren können, muss es dokumentiert werden. Das heißt, die Verwaltung hat die Verpflichtung, ihr Handeln nachzuweisen, und das macht sie in der Akte.

Die Akte ist daher das Instrument, mit dem die Verwaltung ihrer Dokumentationspflicht nachkommt. Wir reden von Aktenmäßigkeit der Verwaltung. Wir reden davon, dass bestimmte Grundsätze bei der Veraktung eingehalten werden müssen. Diese Grundsätze richten sich im Wesentlichen daran aus, wie die Dokumentation des Verwaltungshandelns zu erfolgen hat:

  • Wir haben auf der einen Seite die Frage, was muss Dokumentiert werden, sprich was ist aktenrelevant.
  • Auf der anderen Seite – weil wir das laufende Verwaltungshandeln dokumentieren müssen – wann müssen wir dokumentieren, sprich wann ist ein bestimmter Sachverhalt aktenreif?

Und diese beiden Komponenten – Aktenrelevanz und Aktenreife – werden in den Vorschriften entsprechend mit Regelungen untermauert, so dass wir sagen können, ordnungsgemäße Aktenführung haben wir dann, wenn wir alles das, was für die Dokumentation des Verwaltungshandelns relevant ist, zu dem Zeitpunkt, an dem es für die Dokumentation erforderlich ist, auch den Akten zuführen.

Die zweite Komponente die Komponente „elektronische Aktenführung“. Das ist der naturgemäß neuere Ansatz in diesem Bereich. Wir müssen zusätzlich zu den Kriterien der ordnungsgemäßen Aktenführung auch die Kriterien beachten, die für uns wichtig sind, wenn wir mit elektronischen Dateien umgehen, die später die elektronische Akte bilden werden.

  • Wir haben dann Kriterien zu berücksichtigen wie Vollständigkeit. Das heißt, nicht neben der elektronischen Akte weitere Akten zu bilden. Auch solche Dokumente, die nicht von der Papierform in elektronische Form überführt werden können, sollten nicht in die Akte aufgenommen werden, weil wir dann Hybridakten hätten, und Hybridakten werden unter verschiedensten Gesichtspunkten nicht als positiv bewertet. Insbesondere auch nicht von den Rechnungshöfen des Bundes und der Länder.
  • Wir haben den Begriff der Integrität zu beachten. Integrität bedeutet, dass ich die Sicherheit haben muss, dass die Systeme, die meine elektronischen Akten verarbeiten, auch in der Lage sind, entsprechend die Dateien aufzubewahren, zu schützen und ihre Verwendung sicherzustellen.
  • Wir haben auch Authentizität. Authentizität ist der Begriff, der die Herkunft bezeichnet. Das heißt, es geht um die Eigenschaften, wo kommt ein Dokument her, ist es echt, wem ist es zuzurechnen, wie kann ich überprüfen die Kriterien: Echtheit, Zurechenbarkeit.
  • Und zuletzt haben wir den Begriff Lesbarkeit und hier geht es nicht darum, in welcher Schriftgröße entsprechende Dokumente oder Texte verfasst sein müssen, sondern es geht schlicht darum, dass mit allen digitalen Ausgabegeräten die entsprechenden Dateien lesbar sein müssen, und auch für die Zukunft diese Lesbarkeit erhalten bleibt.

Wenn wir diese Grundsätze, die sich aus den Begriffen „ordnungsgemäße Aktenführung“ und „elektronische Aktenführung“ ergeben, beachten, haben wir im Wesentlichen das, was das E-Government-Gesetz unter dem schlichten Satz vorschreibt:

Werden die Akten elektronisch geführt, ist durch geeignete technisch-organisatorische Maßnahmen nach dem Stand der Technik sicherzustellen, dass die Grundsätze ordnungsgemäßer Aktenführung eingehalten werden.

Das ist schlank formuliert, aber es birgt ein großes Reservoire an Kriterien, die eingehalten werden müssen.

Welche Vorteile hat die offene elektronische Aktenführung?

Die nach den Grundsätzen der ordnungsgemäßen Aktenführung zu beachtenden Vorgaben und die Verpflichtung, das Verwaltungshandeln in sämtlichen Stufen zu dokumentieren und darzustellen, ist nur die eine Seite der Akte. Die andere Seite der Akte ist das Wissen, was sich in dieser Akte verbirgt. Und diese Seite ist die für die Arbeitspraxis viel bedeutendere Ausprägung, die die Akten haben. In der Regel rede ich von der Zweigesichtigkeit der Akte.

In den Verwaltungen ist das Wissen, was sich in Akten birgt, das zentrale Element und jeder, der vom Wissensmanagement in der Verwaltung spricht, sollte die Akten nicht aus dem Fokus nehmen. Vielmehr sollte er die Akte als ein zentrales Element des Wissensmanagements betrachten, weil wir in den Akten alles das finden, was wir für die Arbeit brauchen:

  • vorangegangene Arbeitsergebnisse,
  • Argumentationen, die wir früher zu bestimmten Fragestellungen erarbeitet haben,
  • Texte, wie abgestimmte Formulierungen, Wordings,
  • Prozess- und Methodenwissen
  • und nicht zuletzt Fachwissen.

Alles dies sind Elemente, die wir für das Informationsmanagement in der Verwaltung nutzen müssen. Wir sollten versuchen, das Wissen, was sich in der Akte birgt, allen in der Verwaltung zur Verfügung zu stellen oder zu einem Kernelement des Wissensmanagements zu machen.

Wir haben es in der Welt außerhalb der Akte, außerhalb der Verwaltung, mittlerweile mit einer digitalen Revolution zu tun, die sich insbesondere um Wissen und Information dreht. Diese digitale Revolution geht natürlich an der Verwaltung nicht vorbei.

Wenn wir aktuelle Entwicklungen nehmen, haben wir die Transparenz des Verwaltungshandelns als eine Handlungsmaxime, die sich seit Jahren mehr und mehr durchsetzt. Wir haben seit 2006 bereits das Informationsfreiheitsgesetz, das die Verwaltung zumindest auf Bundesebene verpflichtet, ohne Anspruch den Bürgern Einsicht in die Akten zu gestatten. Wir haben das Informationsweiterverwendungsgesetz, seit 2013, was erlaubt, Verwaltungsdaten ohne Genehmigung der Behörden weiterzuverwenden. Wir haben nicht zuletzt das Open-Data-Gesetz, seit 2017.  Das Open-Data-Gesetz verpflichtet die Verwaltung, Verwaltungsdaten offenzulegen. In engen Grenzen, aber immerhin, müssen Verwaltungsdaten offengelegt werden.

Und wir haben nicht zuletzt die Initiative der Bundesregierung, dem Open Government Partnership-Konsortium der Nationen beizutreten. Dieses Open Government Partnership-Konsortium hat sich selbst verpflichtet, ein offenes und transparentes Regierungshandeln zu gewährleisten.

Dies alles spricht für eine Transparenz des Verwaltungshandelns. Dies alles spricht dafür, Verwaltungsdaten, -inhalte, das Wissen der Verwaltung offen auch für die Gesellschaft zu handhaben. Das Instrument „offene Akte“ ist ein wichtiger Baustein in diesem Zusammenhang, weil wenn ich die offene Akte von vornherein mit diesen Komponenten verbinde, habe ich nicht nur das Wissensmanagement in der Verwaltung, sondern ich habe auch ein wichtiges Instrument, um mit diesen neuen Entwicklungen in der Gesellschaft umzugehen.

Beispielsweise ist es möglich, im Rahmen der Veraktung bereits Kriterien, die das Informationsfreiheitsgesetz für die Veröffentlichung an die Hand gibt, mit zu berücksichtigen, so dass in den Akten bereits vorindizierte Dokumente vorhanden sind, die dann, wenn Akteneisichtnahmen nach dem Informationsfreiheitsgesetz oder Auskunftsersuchen nach dem Informationsfreiheitsgesetz an die Verwaltung herangetragen werden, die Bearbeitung solcher Vorgänge relativ einfach gestalten lassen, weil eben schon die entsprechenden Indikatoren, die für die Beurteilung maßgebend sind, in den Metadaten der elektronischen Dokumente mit erfasst worden sind.

Vor diesem Hintergrund würde ich dazu neigen, zu sagen, die offene Akte ist ein Trend, der sich durchsetzen wird. Ihr gehört die Zukunft in der Verwaltung.

Anm. d. R.: Wilhelm Thelen ist Experte für Digitalisierung der Verwaltungsarbeit. Am 28. August 2018 wird er beim Seminar „Die praktische Umsetzung der eRechnung in öffentlichen Institutionen und Unternehmen“ zum Thema „Umsetzung der eRechnung beim Bund am Beispiel des Bundesministeriums für Gesundheit“ referieren. Mehr Informationen zum Seminarprogramm und zur Anmeldung finden Sie auf der Website der Europäischen Akademie für Steuern, Wirtschaft & Recht.

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Wilhelm Thelen ist Referent in der Gruppe PI (Presse, Internet und Soziale Medien) und Projektleiter E-Verwaltungsarbeit im Bundesministerium für Gesundheit.
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