Rechtsverordnung zum elektronischen Rechtsverkehr (Video-Interview)
Dr. Henning Müller ist Richter am Hessischen Landessozialgericht und leitet dort auch den Bereich Datenverarbeitung und IT-Organisation. Als Experte im Bereich eJustiz erklärt er kurz gegenüber Zentralblick, welche Neuerungen die neue Rechtsverordnung zum elektronischen Rechtsverkehr bringt sowie welche Probleme sich aus der neuen Rechtslage ergeben und wie man diese bewältigen kann.
Welche Vorgaben macht die neue Rechtsverordnung zum elektronischen Rechtsverkehr? Wo liegen die Unterschiede zur bisherigen Rechtslage?
Die neue Elektronische Rechtsverkehrsverordnung ist zum einen eine bundesweite Verordnung. Das heißt, ganz neu ist, dass wir eine einheitliche Regelung in allen Bundesländern und für den Bund haben. Hierauf können sich alle Verfahrensbeteiligten also sozusagen flächendeckend für ganz Deutschland einstellen. Im Übrigen macht die ERVV, so heißt sie abgekürzt, Vorgaben zum Dateiformat – zugelassen sind nun insbesondere noch PDF-Dateien, notfalls TIF-Dateien – und stellt weitergehende Anforderungen auf, beispielsweise bestimmte Dateiversionen oder auch, dass die Dokumente texterkannt sein müssen – das jedenfalls mit einer Übergangsvorschrift – druckbar und kopierbar.
Das hört sich nach einer einfachen Regelung an. Gibt es Probleme mit der neuen Rechtslage?
Ja, es gibt zahlreiche Probleme, vor allem am richterlichen Arbeitsplatz, wo ja die Prüfung stattfinden muss, ob die Vorgaben eingehalten werden. So muss beispielsweise der Richter prüfen, ob es eine PDF-Datei ist, und nun werden ja in den Gerichten fast überall noch die Akten in Papierform geführt. Und in dem Moment, in dem eine PDF-Datei ausgedruckt ist, sieht man ihr nun nicht mehr an, ob es eine PDF-Datei in einem bestimmten Dateiformat war. Noch problematischer ist es mit der qualifizierten elektronischen Signatur, die ja nicht abgeschafft ist. Die qualifizierte elektronische Signatur ist ein elektronisches Datum, ein digitales Datum, das nun mal nicht ausdruckbar ist, dass nur mittelbar überprüfbar ist. Und nach der ERVV sind nicht mehr alle Formen der qualifizierten elektronischen Signatur zulässig. Das muss der Richter prüfen und darauf sind viele Richterinnen und Richter schlicht noch nicht vorbereitet.
Welche Lösungen sind für diese Probleme in Betracht zu ziehen?
Vor allem werden in der Justiz, aber auch natürlich für die Verfahrensbeteiligten, Schulungen erforderlich. Es ist ein erheblicher Fortbildungsbedarf in allen Bereichen der Justiz, weil der elektronische Rechtsverkehr, das elektronische Zustellungsrecht sich so immens geändert hat. Das ist der eine Aspekt. Der andere Aspekt ist auch, dass man die Regelung zum elektronischen Rechtsverkehr verfahrenstechnisch nicht überhöht. Man muss also schauen, dass man auf Rechtsfolgenseite im Grunde eine Lösung sucht, und dass man bestimmte Aspekte des elektronischen Rechtsverkehrs sicher verpflichtend ansieht, andere Aspekte des elektronischen Rechtsverkehrs aber sozusagen nur als Ordnungsvorschriften ohne echte Sanktion ansieht.
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Anm. d. R.: Dr. Henning Müller ist Experte für eJustice und elektronischen Rechtsverkehr. Am 9. Juli 2018 wird er beim Seminar „Rechtssichere elektronische Kommunikation und elektronischer Rechtsverkehr“ zu mehreren Themen referieren. Mehr Informationen zum Seminarprogramm und zur Anmeldung finden Sie auf der Website der Europäischen Akademie für Steuern, Wirtschaft & Recht.

Dr. Henning Müller ist Richter am Hessischen Landessozialgericht und leitet dort auch den Bereich Datenverarbeitung und IT-Organisation.
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